69. Tag
Freitag, 16.7.04: Gasthof Obernberger See (1593m) – Italienische Tribulaunhütte (2368m)
Unser Zechbruder von gestern ist extra früh aufgestanden und serviert uns Punkt halb sechs ein luxuriöses Frühstück. Herrlich spiegeln sich die wenigen Wolken im von Fichtenwäldern umrahmten Obernberger See, bereits im 15. Jahrhundert wusste Kaiser Maximilian I. von Habsburg die Anmut der Umgebung zu schätzen und erkor sie zu seinem Jagdrevier. Als Kenner von Flora und Fauna verfasste er gar ein Buch über die Fischerei, in dem er die Forellen des Sees – Bach-, See- und Regenbogenforelle - in höchsten Tönen lobte.
Wir tauchen in dichten Wald, steigen beinahe schneefeldlos zum Gstreinjöchl (2540m) hinauf und stürzen ebenso schneefeldlos über steiles Terrain zur österreichischen Tribulaunhütte (2064m) hinunter. Der hölzerne Bau wirkt, als ob eine überdimensionierte Biwakschachtel in die Landschaft gepflanzt worden wäre. Sie sei schon zweimal von einer Lawine zerstört worden und werde von den Eltern des österreichischen Weltklasseslalomfahrers Manfred Pranger bewirtschaftet, setzt uns ein kommunikationswütiger Gast in Kenntnis. Manfred wer? Nie gehört. Bestimmt ist Pranger ein Meister seines Faches, doch seit meinem Kreuzbandriss habe ich dem alpinen Skisport nicht nur praktisch abgeschworen, sondern ignoriere auch jegliche Berichterstattung darüber.
Als wir nach einem kleinen Päuschen die Pflerscher Scharte (2599m) anvisieren, werden die Schneefelder zahlreicher, es gibt schwierigere und weniger schwierige Varianten. Fehlentscheidung Nummer eins: Wir wählen einen Pfad der ersten Kategorie, der dicht unter den Nordwänden von Gschnitzer (2946m) und Pflerscher Tribulaun (3097m) verläuft. Fehlentscheidung Nummer zwei: Da das Gelände nicht allzu steil ist und nach unten hin flach ausläuft, erscheint uns das Anbringen von Steigeisen als unnötig. Ich teste, ramme die Schuhspitzen fest in den Firn, um für Josef eine Schneise zu schlagen, balanciere hochkonzentriert voran, überwinde die schwierigste Stelle, halte inne und drehe mich um. Wo ist er bloß abgeblieben? Ich folge den Spuren zurück, doch er bleibt verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Er wird doch nicht ... den Hang abwärts geschlittert sein? Ich zucke zusammen, mir wird heiß und kalt zugleich, ich bin wie gelähmt, unter Schock. Ein Blick hinab genügt, ich fasse es nicht: Er steht, wenn auch hundert Meter unter mir, der Glückspilz! Er hätte sich das Genick brechen können bei seinem tollkühnen Ritt auf dem Hosenboden, stattdessen winzige Lappalien: Eine zerkratzte, blutende Hand und ein krumm gebogener nagelneuer Teleskopstock. Unsere verfluchte, gefährliche Bequemlichkeit wurde ihm zum Verhängnis, hätten wir nur die Eisen angelegt! Ihre Zacken hätten sich spielerisch leicht in den zähen Firn gebohrt, und Josef wäre lockeren Schrittes über das Schneefeld getänzelt. Wenn er auch körperlich nahezu unversehrt blieb, so hat seine Psyche erheblich gelitten, er fühlt sich - wen wundert’s - nicht sonderlich gut. Quälend langsam steuern wir die italienische Tribulaunhütte (2368m) an und übernachten als einzige dort.
Erkenntnis des Tages: Über uns schwebte ein riesengroßer Schutzengel.
Exakte Routenführung: Gasthof Obernberger See (1593m) - Gstreinjöchl (2540m) - Österreichische Tribulaunhütte (2064m) - Pflerscher Scharte (2599m) – Italienische Tribulaunhütte (2368m)
Höhenunterschied: Aufstieg: 1600m; Abstieg: 850m
Distanz: 13 km
Reale Gehzeit: 7,5 Std
Unser Zechbruder von gestern ist extra früh aufgestanden und serviert uns Punkt halb sechs ein luxuriöses Frühstück. Herrlich spiegeln sich die wenigen Wolken im von Fichtenwäldern umrahmten Obernberger See, bereits im 15. Jahrhundert wusste Kaiser Maximilian I. von Habsburg die Anmut der Umgebung zu schätzen und erkor sie zu seinem Jagdrevier. Als Kenner von Flora und Fauna verfasste er gar ein Buch über die Fischerei, in dem er die Forellen des Sees – Bach-, See- und Regenbogenforelle - in höchsten Tönen lobte.
Wir tauchen in dichten Wald, steigen beinahe schneefeldlos zum Gstreinjöchl (2540m) hinauf und stürzen ebenso schneefeldlos über steiles Terrain zur österreichischen Tribulaunhütte (2064m) hinunter. Der hölzerne Bau wirkt, als ob eine überdimensionierte Biwakschachtel in die Landschaft gepflanzt worden wäre. Sie sei schon zweimal von einer Lawine zerstört worden und werde von den Eltern des österreichischen Weltklasseslalomfahrers Manfred Pranger bewirtschaftet, setzt uns ein kommunikationswütiger Gast in Kenntnis. Manfred wer? Nie gehört. Bestimmt ist Pranger ein Meister seines Faches, doch seit meinem Kreuzbandriss habe ich dem alpinen Skisport nicht nur praktisch abgeschworen, sondern ignoriere auch jegliche Berichterstattung darüber.
Als wir nach einem kleinen Päuschen die Pflerscher Scharte (2599m) anvisieren, werden die Schneefelder zahlreicher, es gibt schwierigere und weniger schwierige Varianten. Fehlentscheidung Nummer eins: Wir wählen einen Pfad der ersten Kategorie, der dicht unter den Nordwänden von Gschnitzer (2946m) und Pflerscher Tribulaun (3097m) verläuft. Fehlentscheidung Nummer zwei: Da das Gelände nicht allzu steil ist und nach unten hin flach ausläuft, erscheint uns das Anbringen von Steigeisen als unnötig. Ich teste, ramme die Schuhspitzen fest in den Firn, um für Josef eine Schneise zu schlagen, balanciere hochkonzentriert voran, überwinde die schwierigste Stelle, halte inne und drehe mich um. Wo ist er bloß abgeblieben? Ich folge den Spuren zurück, doch er bleibt verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Er wird doch nicht ... den Hang abwärts geschlittert sein? Ich zucke zusammen, mir wird heiß und kalt zugleich, ich bin wie gelähmt, unter Schock. Ein Blick hinab genügt, ich fasse es nicht: Er steht, wenn auch hundert Meter unter mir, der Glückspilz! Er hätte sich das Genick brechen können bei seinem tollkühnen Ritt auf dem Hosenboden, stattdessen winzige Lappalien: Eine zerkratzte, blutende Hand und ein krumm gebogener nagelneuer Teleskopstock. Unsere verfluchte, gefährliche Bequemlichkeit wurde ihm zum Verhängnis, hätten wir nur die Eisen angelegt! Ihre Zacken hätten sich spielerisch leicht in den zähen Firn gebohrt, und Josef wäre lockeren Schrittes über das Schneefeld getänzelt. Wenn er auch körperlich nahezu unversehrt blieb, so hat seine Psyche erheblich gelitten, er fühlt sich - wen wundert’s - nicht sonderlich gut. Quälend langsam steuern wir die italienische Tribulaunhütte (2368m) an und übernachten als einzige dort.
Erkenntnis des Tages: Über uns schwebte ein riesengroßer Schutzengel.
Exakte Routenführung: Gasthof Obernberger See (1593m) - Gstreinjöchl (2540m) - Österreichische Tribulaunhütte (2064m) - Pflerscher Scharte (2599m) – Italienische Tribulaunhütte (2368m)
Höhenunterschied: Aufstieg: 1600m; Abstieg: 850m
Distanz: 13 km
Reale Gehzeit: 7,5 Std
Almoehi - 28. Mär, 15:32